Denk an Uganda
von Edith Meinhart, Uganda und Brüssel
Webaufrtritt, Fotos und Gestaltung: Hans Ziller
Wie ein hustender, stinkender Ziegenbock hüpft das rote Moped über den lehmigen, rissigen Feldweg. Unzählige Regengüsse haben Steine und Wurzelstöcke aus dem Boden gespült, immer wieder hat die Sonne ihn ausgedörrt. Stefan Pleger umklammert den Lenker und brüllt durch den Motorlärm: "Das hier ist eine der privaten Schulen, für die Eltern sich das Geld vom Mund absparen, weil die staatlichen so schlecht sind." Vor neun Jahren gründete der Tiroler in Zigoti, Uganda, einen Verein. Er nannte ihn "Kindern eine Chance".
Ein passender Name in einem Land, in dem jede Frau durchschnittlich 6,4 Kinder zur Welt bringt, sich viele davon aber als Waisen durchs Leben schlagen. Gewalt, Hunger und Aids-Epidemien hatten in den 1980er- und 1990er-Jahren eine Schneise des Todes durch die Bevölkerung gezogen. profilbesuchte den Entwicklungshelfer mit all den Fragen im Gepäck, die Europa heute unter den Nägeln brennen, wenn es um Afrika geht.
Was passiert, wenn Millionen von Menschen plötzlich Richtung Norden wandern, um Krieg, verheerenden Dürren und Armut zu entkommen? Im Vorjahr suchten über eine Million Flüchtlinge in der EU Schutz, die meisten kamen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan. Dabei gerät leicht aus dem Blick,
dass laut EU-Grenzschutzagentur Frontex auch 100.000 Afrikaner unter den Einwanderern waren. Sie könnten die Vorhut für eine künftige, größere Migration sein. Afrika ist voller Schauplätze von Hunger, Chaos und Gewalt: Libyen, Somalia, Nigeria, Mali, Äthiopien, Eritrea.
Europa
hat jedes Interesse daran, dass die Menschen auf diesem Kontinent sicher und gut leben können. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Zehn Millionen sind innerhalb Afrikas auf der Flucht. Ihre Versorgung wird zusehends schwierig.
Im Mai lud der EVP-Abgeordnete Heinz Becker zu einer Debatte ins EU-Parlament. Afrika retten, Europa retten war das Thema. Emmy Takahashi, Vertreterin des UN-Flüchtlingshochkommissariats Unhcr, blickte vom Podium aus finster in die Zukunft:
"Ruanda schickt Leute nach Burundi. Kenia droht, das weltweit größte Flüchtlingslager zuzusperren. Nahrungsmittelprogramme werden gekürzt. Immer mehr Regierungen in Afrika fragen sich, warum die EU die Türkei unterstützt und sie allein gelassen werden."
Ein Symposium jagt das nächste, Berichte werden verfasst, besserer Grenzschutz und mehr Entwicklungszusammenarbeit beschworen. Neben viel nackter Angst besteht eine vage Hoffnung, das große Wandern noch aufhalten zu können. Wann fängt es an? Wenn Bomben fallen? Das Wasser ungenießbar ist? Es zu wenig Arbeit für zu viele junge Menschen gibt und die Kinder auf der Straße verkommen?
Meist brechen nicht die Ärmsten auf, sondern die Aufstrebenden, die ein bisschen Geld gespart haben und eine Perspektive suchen, weil sie zu Hause keine mehr haben.
Ab einem Jahreseinkommen von 7000 Dollar flacht die Migrationskurve wieder ab, sagt eine Studie der Weltbank. Doch selbst für Forscher bleibt ein unergründlicher Rest. Warum gehen die einen, warum bleiben die anderen? Uganda ist ein guter Ort, um nach Antworten zu suchen. Das Land hat mehr als 35 Millionen Einwohner. Es gehört nicht mehr zu den ärmsten des Kontinents. In den ländlichen Gegenden sind Hunger und bittere Armut aber noch weit verbreitet. Die heimische Entwicklungshilfe setzte vor fast einem Vierteljahrhundert hier einen ihrer Schwerpunkte. Laut Amnesty International begehen Polizei und Armee nach wie vor schwere Menschenrechtsverletzungen. Doch es gibt in Afrika weitaus schlimmere Regime. Im Moment kommen aus Uganda keine Flüchtlinge. Könnte sich das ändern? Schon in drei Jahren?
Günter Engelits, der in Kampala das Büro der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (OEZA) leitet, empfängt die Besucher im Samstag- Freizeitlook Die Frage kostet ihn einen Lacher: "Auch schon in drei Monaten!"
An der Wand hinter ihm hängt eine Karte von Afrika. Wenn Menschen keine Perspektiven haben und es keine Jobs gibt, strömen Abertausende vom Land in die Stadt und bringen hier das soziale Gefüge ins Wanken", sagt er. Außerdem versorgt Uganda inzwischen 550.000 Flüchtlinge (Stand Ende Juni). Die meisten werden in Camps am Land untergebracht, viele landen aber auch in der Stadt. Die Gewalt, die jüngst auf den Straßen von Juba, Südsudan, explodierte, trieb laut Unhcr in den vergangenen drei Wochen zusätzlich 52.000 Menschen über die Grenze. 90 Prozent davon sind Frauen, Kinder und Jugendliche. Niemand weiß, wie viele Menschen Uganda noch aufnehmen kann, ohne wirtschaftlich und politisch an Stabilität einzubüßen und zu einem Land zu werden, aus dem Menschen weg wollen.
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in Zigoti, im ländlichen Uganda. Betty Nabulimu (Foto), die Geschäftsführerin von Kindern eine Chance (KEC), vertreibt sich mit Kolleginnen die Mittagspause. Am langen Holztisch herrscht fröhliches Gekicher. Das ist die Gelegenheit, über Gehen oder Bleiben zu reden. Was wissen die Frauen über Europa? "Man nimmt abgepacktes Essen zu sich. Alle Straßen sind asphaltiert. Die Menschen haben viel Geld und zarte Hände", sagt Justin Kamugerwa, die Sekretärin. Sie würde Österreich gerne besuchen, aber nicht dort bleiben wollen: "Denn ich liebe meinen Job." Er habe sie selbstbewusst gemacht. Ein paar Frauen aus der Gegend verdienen als Hausangestellte in Dubai oder Abu Dhabi 200 Euro im Monat. Das ist viel Geld. In Uganda bekommt selbst ein Lehrer höchstens 70 Euro. Doch Nabulimu und ihre Kolleginnen reizt das Ausland nicht. In Saudi-Arabien hätte man als Nicht-Muslimirr Probleme, in Amerika sei es auch schwierig: "Wir lächeln nicht so viel wie die Leute dort, deshalb haben sie Angst vor uns." Aus dem afrikanischen Dorf in die europäische Metropole, so funktioniert Migration nicht. Sie ist eine Geschichte in Etappen. Menschen, die am Land nicht überleben können, versuchen ihr Glück zunächst in der Hauptstadt. Wenn sie dort scheitern, suchen sie in den Nachbarregionen nach Arbeit. Erst dann wagen sie die große Reise, bevorzugt dorthin, wo sie jemanden kennen, bei dem sie andocken können. Manche durchqueren die Wüste und landen im Norden Afrikas. Europa verspricht den Staaten hier Geld, wenn sie im Gegenzug dafür sorgen, dass für Migranten hier Endstation ist. Der Effekt muss sich noch weisen. Laut einer Studie der London School of Economics verzichten Staatenlenker lieber auf Geld, als sich politisch dreinreden zu lassen. Im Norden wie im Süden gilt, was der kanadische Ökonom Zakaria Sorgho kürzlich bei einer Veranstaltung des Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation (Vidc) in Wien betont hat: "Migration ist ein Problem fehlender Jobs und Perspektiven." Gibt es sie in Marokko, Tunesien oder Algerien, dann werden viele der Einwanderer aus dem Süden bleiben, sonst drängen sie weiter. Den Auswanderungsdruck zu verringern, bedeutet also, die ländliche Entwicklung zu fördern.
Es ist die Crux der internationalen Afrikahilfe, dass die großen NGOs lieber in den Ballungsräumen sitzen, wo ihre Mitarbeiter in Häusern mit Wächter und Gärtner leben und die internationale Schule um die Ecke ist. Nichts davon gibt es in Zigoti.
Vor neun Jahren war das Dorf noch nicht einmal an das Stromnetz angeschlossen. Pleger ist genau deshalb hierher gegangen: "Wir brauchen Jobs am Land, und zwar qualifizierte, wenn wir Afrika verändern wollen." Seine eigenen Mitarbeiter sind dafür lebende Beweise.Nuliet Nanteeza leitet bei KEC die Behindertensparte.
Die 30-Jährige ist zehn Autostunden von Zigoti entfernt in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Mit Anfang 20 zog sie in die Hauptstadt, wo sie in einem Supermarkt jobbte, um sich einen Bachelor in Business Administration zu finanzieren. Danach stand sie an. "Es ist miserabel, in Kampala zu scheitern", sagt sie. Alles ist härter, gefährlicher, teurer als im Dorf. Sie kennt Burschen, die kriminell wurden, und Mädchen, die am Strich landeten. Die Wirtschaft der Länder südlich der Sahara wächst durchschnittlich um fünf Prozent jährlich. Das ist viel, aber nicht genug angesichts einer rasch wachsenden Bevölkerung. Bis 2050 werden 400 Millionen neue Jobs gebraucht. Laut jüngster UN-Prognose verdoppelt sich die Zahl der Menschen in Afrika von heute 1,2 Milliarden bis 2050 auf 2,5 Milliarden. Das erfordert gigantische Investitionen. Die EU eiste 1,8 Milliarden Euro los. Diese Mittel sollen, um private Gelder auf bis zu sechs Milliarden Euro aufgestockt, die dringend nötigen Jobs schaffen. In den europäischen Thinktanks denkt man vor allem an innovative Start-ups und die wachsende Mittelschicht Afrikas.
Im ärmlichen Uganda, wo Pleger mit seinem Moped herumkurvt, geht es um solide Grundbildung und praktische Fähigkeiten, die den Jungen ein Auskommen sichern. 700.000 Euro an Spendengeldern setzt seine Organisation jährlich für Musterschulen, Arbeit mit behinderten Kindern und Workshops ein, in denen Jugendliche Nähen, Schweißen, Tischlern oder Schuhmacherei lernen.
Pleger sagt, er sei lange genug in der Entwicklungshilfe gewesen, um zu wissen, wie abhängig und verantwortungslos sie ihre Empfänger machen kann. Vor fünf Jahren fand seine Frau Gabi Ziller vor der Eingangstür ein wimmerndes Bündel Haut und Knochen. Eine Frau hatte ihr behindertes Baby hier abgelegt. Das war der Anstoß, eine Schule zu gründen, in der es nicht nur Unterricht gibt, sondern auch Physiotherapie, Basisförderung und Trainings mit Eltern. Nanteeza, die den Bereich „special needs“ leitet, führt die Besucher in den Schlafsaal der Buben. Auf einem der Betten liegt, zusammengekauert und verkrümmt, der 13-jährige Jared. Seine Eltern wollten ihn verhungern lassen. Ihnen beizubringen, ihr Schicksal zu schultern, war hoffnungslos. Ein Sozialarbeiter fand den Buben in einem Holzverschlag. Neun Kilo wog er, als die Organisation ihn in ihre Obhut nahm. Menschen, die mit Hilfe überwölbt werden, lernen vor allem, die Hand aufzuhalten. Das war Plegers große Lektion als Entwicklungshelfer.
Eine zweite hielt das ländlichen Uganda für ihn parat. Sie lautet kurz gefasst, dass man die größten Erfolge hier oft mit den einfachsten Mitteln erzielt. Der Tiroler nennt es das Porridge-Prinzip, denn es begann mit dem Maisbrei, der die Kinder der Armen satt macht, aber nicht ernährt. „Mitkommen!“, sagt er. Aus einem der Gebäude am Standort in Zigoti dringt ohrenbetäubendes Knattern.
Ein junger Mann mit Ohrenschützern steht in einer Wolke aus Abgasen und füttert die ruckelnde Mühle mit Mais. Dieses Ungetüm schaffte Pleger an. 30 bis 35 Tonnen Mais kauft er jedes Jahr von den Bauern aus der Gegend, einer von Plegers vielen, kleinen Impulsen für regionale Entwicklung. Die Körner, die in 100 Kilo-Säcken aufgestapelt an der Wand lagern, werden vermahlen und in Schulen verteilt, damit die Kinder zumindest einmal täglich ein vollwertiges Essen erhalten. „Das hat nicht nur ihre Gesundheit schlagartig verbessert, sondern auch ihren schulischen Erfolg.“ Denn die Porridge-Boten schauten vor Ort auch gleich nach, ob ihre Lehrer tatsächlich unterrichten. Das war nur sporadisch der Fall. Inzwischen haben sich die Inspektionen herumgesprochen. Die Arbeitsmoral hat sich beträchtlich gehoben. Auch Scheitern kann man in Uganda übrigens an den einfachsten Dingen. Für die Kontrolle der 156 staatlichen Grundschulen im Bezirk wäre an sich die Landesschuldirektorin zuständig. „Ihr stehen dafür 3439 Mitarbeiter zur Verfügung“, sagt Pleger – „und zwei Mopeds. Aber sie hat kein Geld, um sie zu betanken.“
2009
eröffnete KEC eine Privatschule in Bongole, in der Kinder nicht nur Rechnen und Schreiben lernen, sondern auch, wie man bei Ernährung und Energie autark wird.
Raphael Tinkasimire, der Direktor, stapft über den Campus, zu dem 2,5 Hektar landwirtschaftliche Fläche gehören. Mango- und Orangenbäume wachsen darauf, dazwischen Krauthäupel. Im Vorbeigehen füttert er Sophia und Maria mit Büscheln Elefantengras. Die beiden Kühe liefern die Schulmilch. „Respect your Teacher“, „Aim Higher“ steht auf Schildern, die über das Gelände verteilt mit Holzspießen in den Rasen gesteckt sind: „Abstain from Sex“. Vorbei geht es an den Eukalyptusbäumen, die an den sumpfigen Stellen den Boden austrocknen und für das Feuerholz sorgen. Ein Schwein döst in der Sonne. Im Konferenzzimmer in Bongole mampfen Lehrerinnen und Lehrer Ananasstücke, die auf einem Teller herumgereicht werden. 462 Kinder haben das Schuljahr abgeschlossen. In den Abschlussklassen ist niemand durchgefallen. Das ist eine kleine Sensation. Das Kollegium ist dennoch missmutig. Ein „Ausgezeichnet“ hat niemand geschafft. Gutes Lehrpersonal zu finden und zu halten, ist in Uganda eine fast unmögliche Kunst.li Pleger kennt Lehrer, die einen Taschenrechner brauchen, um 2000 und 800 zusammenzuzählen. Das Drama setzt sich über die Generationen nahtlos fort. Weil Kinder mit ihren Lehrern selten gute Erfahrungen machen, wollen sie selbst später auch keine werden. Das ist eine dieser Entwicklungsblockaden, die man erst aus der Nähe sieht und von denen auf den Podien in Europa kaum die Rede ist. Dass es davon einige mehr gibt, stellt sich beim Besuch der Schuhmacherei heraus. Charles Kijjambu war vor drei Jahren hier noch Lehrling. Sein Meisterstück waren die knöchelhohen Lederschuhe, die Pleger auf Baustellen und bei seinen Mopedtouren trägt. Heute zeigt Kijjambu anderen Jugendlichen, wie man mit Leiste, Ahle und Nähmaschine hantiert. In der Werkstatt in Zigoti stapeln sich schwarze Schnürer und luftige Sandalen. Das Paar geht um 30.000 Schilling weg, umgerechnet neun Euro. „Am Anfang haben wir zehn Paar in der Woche geschafft, jetzt sind es doppelt so viele, und die Qualität ist besser geworden“, erzählt Kijjambu den Besuchern. Es klingt stolz.
Nur Pleger weiß, dass sich der junge Mann nicht immer so angehört hat. Für die Dorfbewohner zählt ausschließlich, was von außen kommt. Gut und „original“ ist Ware aus China oder Europa. Ihre Füße stecken in Plastikschlapfen aus Fernost oder in ausgelatschten Schuhen aus den Altkleidercontainern der industrialisierten Welt. Dabei gibt es im eigenen Land Leder in Hülle und Fülle. Es kostete Pleger einige Mühe, den Jugendlichen die Augen für die Qualität des „handgemachte Zeugs“ zu öffnen. Nun ordern die ersten Schulen in der Werkstatt, und die Jugendlichen beginnen, ihre Sneakers aus China mit schwarzer Paste zu übermalen, damit sie ausschauen wie die obligaten, geschlossenen Schuhe in den besseren Privatschulen. Vielleicht werden sie irgendwann sogar „Kult“, lacht Pleger. Das also ist die wirtschaftliche Entwicklung, von der die fernen Migrationsexperten so gerne reden. Hier, in Zigoti beginnt sie mit einem Klick im Kopf.
Erzeugt wird in den Lehrwerkstätten, was regional nachgefragt ist:
Möbel, Gewand, Perücken, Särge, Fensterrahmen. In der Tischlerei deutet Pleger auf einen Holzgriff. Er passt in eine Feldhaue, das wichtigste und manchmal einzige Gerät in der Landwirtschaft. An der Wand lehnen halbfertige Betten. Ein Bursche raspelt an einem Werkstück herum. Ein anderer schiebt zaghaft ein Stück Holz in die Kreissäge. Alex Ngbo, der Leiter der Tischlerei, schaut ihm auf die Finger. Eine österreichische Firma hat die Maschine gespendet. Die angehenden Tischler arbeiten trotzdem viel mit der Hand. Auch das gehört zu Plegers Loblied auf die Einfachheit: In Dörfern ohne Elektrizität könnten sie mit ihren frisch erworbenen Kenntnissen sonst gar nichts anfangen. Bei ihm lernen die Jugendlichen buchstäblich fürs Leben.
Der Unterschied zum SOS Kinderdorf in Kakiri könnte kaum größer sein. Die 1991 eröffnete Anlage wirkt wie ein nach Afrika verpflanztes Stück Europa. In jedem der 13 Familienhäuser steht eine Waschmaschine, es gibt fließendes Warmwasser, die Klos spülen auf Knopfdruck, die zehn Hektar große Grünanlage wird von Gärtnern gepflegt. Jedes Jahr nimmt SOS Kinderdorf zehn bis 15 Kinder in dieses wohlbehütete Reich auf, wo sie so lange bleiben können, bis sie einen Uni-Abschluss geschafft haben. Über 50 Kinder wurden hier groß. Susan Nansato hat lange hier gearbeitet. Der Kontrast zwischen Drinnen und Draußen störte sie irgendwann so sehr, dass sie in der Nähe ihre eigene Schule gründete. „Was hat Uganda von den wenigen Kindern, die in diesem Luxus aufwachsen? Die meisten von ihnen gehen ins Ausland, weil sie sich hier gar nicht mehr zurechtfinden.“ Die Welt, aus der auch diese Kinder kommen, besteht aus den armseligen Lehmhütten, die Pleger bei seinen Hausbesuchen mit dem Moped abklappert. Eine davon gehört Silvia. Ihre Ziege hat sie mit einer Schnur an eine Bananenstaude gebunden. Das Tier ist ein Geschenk des Vereins. Sie soll mit ihrer Milch die Ernährung des 18-jährigen, kranken Sohnes vervollständigen. Silvias erster Mann starb an Aids, ihr zweiter an einem Stromschlag. Die beiden jüngeren Kinder sind gesund, ihr Ältester aber hat sich mit HIV angesteckt. Er ist eines von 92 Kindern, um die sich der österreichische Verein kümmert. Im Spital würde er gratis behandelt. Aber seine Mutter hat nicht einmal das Geld für ein Busticket. Früher bot sie sich Männern an. Pleger und Ziller denken laut darüber nach, auch ihren jüngsten Sohn in das Unterstützungsprogramm aufzunehmen. Silvia greift nach den Händen der Muzungus, wie die Weißen hier genannt werden, und fällt auf die Knie. Wer weiß, welche Türen für ihre Kinder noch aufgehen. Oder zufallen.lightbox Lange Zeit galt Migration als Folge mangelnder Entwicklung. Doch die Praxis lehrt, dass Entwicklung umgekehrt auch eine Folge von Migration sein kann. Laut Weltbank schickten Auswanderer im Vorjahr 431,6 Milliarden Dollar in Entwicklungsländer zurück. Das ist doppelt so viel wie die weltweite Entwicklungshilfe. Nicht immer, aber oft sichert dieses Geld das Überleben von Familien, die Ausbildung von Kindern. Manchmal wird damit ein Geschäft angestoßen, oder der Austausch von Wissen. In Expertenzirkeln waren Remittances der große Hype. Zwischenzeitlich wurden sogar Rufe laut, die Entwicklungszusammenarbeit zu streichen. Doch so einfach liegen die Dinge nicht. Für Uganda wäre der Schlag schwer zu verkraften, sagt Engelits: „Damit würde ein Fünftel der staatlichen Mittel wegfallen.“ Es könnte sich um Mittel handeln, die für Menschen in Uganda einen Unterschied machen. Was ihnen hilft, das hilft auch Europa.