Thomas Gaar (Baj) hat von September 2015 bis August 2016 für ein Jahr seinen Auslandszivildienst bei der Organisation "Kindern eine Chance" in Uganda geleistet. ln einem Erlebnisbericht - eineSeltenheit in der ACADEMIA!- blickt der Chefredakteur des nächsten Vororts auf außergewöhnliche Erfahrungen zurück.
Die anfängliche kulturelle Umstellung war sehr groß, besonders bei der Hygiene. Die tägliche "Dusche" wird mit einer Wasserflasche mit kaltem Wasser aus dem Wassertankdurchgeführt und die "Toilette" ist ein kleines Loch im Boden, das über einer 20 m tiefen Gtube (ohne Spülung und Klomuschel versteht sich) mit Holzbrettern abgesichert ist. Das Essen ist sehr eintönig, enthält viele Kohlenhydrate und wird zumeist mit abgenutztem Fett zubereitet. Da istes - zugegeben - schon ab und an vorgekommen, dass sich mir der Magen umgedreht hat. Die offene und lebensfrohe Art der Ugander half mir dennoch, schnell in die neue Kultur einzutauchen. Allerdings muss man aufpassen, wen man in seinen engen Freundeskreis tatsächlich miteinschließt. Schließlich will jeder Ugander aufgrund der Hautfarbe dein Freund sein. Unsere Währung ist dort viel wert und somit ist jeder Weiße für ugandische Verhältnisse reich, wodurch man
das Objekt der Begierde ist - für Mann und Frau. Ich habe mich auf jeden Fall die ganze Zeit über immer sicher gefühlt - auch zum Zeitpunkt der "demokratischen" Wiederwahl des seit 30 Jahren dienenden Präsidenten Museveni, der 1985 die Verfassung in Unterolberndorf in Mistelbach schrieb. Es wurden mir zwar mehrere Dinge
gestohlen, allerdings immer in Momenten der Unaufmerksamkeit. Ich wurde kein einziges Mal bedroht oder war einer gefährlichen Situation
ausgesetzt (mit Ausnahme einer Malaria- Erkrankung), dafür ist der "Respekt" vor Weißen wahrscheinlich zu groß. Unter den Ugandern kann es aber schon wilder zugehen. Wenn ein Ugander dem anderen etwas stiehlt, startet das ganze Dorf eine "Hexenjagd", um den Dieb zu fassen und ihn zu töten. Eine Polizei existiert zwar, ist aber mit den Aufgaben völlig überfordert. Die ganzen Beispiele zeigen, dass sich das Leben dort in einer anderen Welt abspielt.
Meine Hauptaufgabe stellte die Betreuung
von 60 öffentlichen Schulen
als Schulinspektor dar. Pro Tag habe
ich etwa acht Schulen mit dem Motorrad
besucht und dort die Lehrer
und Direktoren sowie die allgemeine
Schulsituation inspiziert. Normalerweise
sollte das die lokale Regierung
machen, dieser fehlen aber die nötigen
Ressourcen vorne und hinten
und das Management stellt ein bürokratisches
Desaster dar.
Es kommt beispielsweise vor, dass ein Lehrer seit zwei Jahren nicht mehr an der Schule ist und dennoch sein Gehalt jeden Monat erhält. Ein nicht ausgereiftes bürokratisches System ist aber nicht das einzige Problem: Laut Transparency International ist in Uganda das gesamte Lehrpersonal 30 Prozent der Schulzeit nicht (!) an der Schule. Damit ist Uganda weltweit führend. Hinzu kommt, dass es auch in der Zeit, an der Lehrer oder Direktoren an der Schule sind, überhaupt nicht rund läuft und es viele Probleme gibt. Kinder werden geschlagen oder erscheinen nicht, weil die Eltern sie für die Feldarbeit zu Hause lassen. Lehrer bereiten sich nicht auf den Unterricht vor, sind betrunken oder unterrichten etwas Falsches (Davon kann unser zukünftiger VOP Michael Jayasekara ein Lied singen - er hat mich nämlich besucht und einen Fall von fachlicher Inkompetenz erlebt). Diese Aufzählung könnte ich unglücklicherweise noch um viele Punkte ergänzen. Es hilft natürlich nichts, Schuldige zu suchen.
Das war nicht meine Aufgabe, sondern ich habe versucht an Lösungen zu arbeiten und die jeweilige Situation verbessern. Das ging vor allem durch individuelles Coaching. Am Anfang war das für mich eine sehr herausfordernde Situation. Schließlich sollte ich als 23- Jähriger den mehr oder weniger erfahrenen Lehrern erzählen, wie es nicht besser funktioniert. Zu meinem Glück waren sämtliche Personen im Bildungssystem durchaus kooperativ. Das war einerseits dem "Respekt" vor einem Weißen geschuldet und andererseits der Belohnung, dass meine GO die fleißigen Schulen mit Maismehl beliefert, was diese dann zu einer heißen Mahlzeit - zumeist die einzige am Tag - zubereiten können. Neben der Tätigkeit als Schulinspektor Neben der Tätigkeit als Schulinspektor habe ich in den zehn Schulen von "Kindern eine Chance" bei organisatorischen Tätigkeiten und allgemeinen Reparatur-Arbeiten geholfen, Mathematik-Unterricht gegeben und mit den Jugendlichen Feldarbeit verrichtet und koordiniert.
Mittlerweile bin ich wieder in Österreich voll "angekommen" und habe mir ausreichend Zeit genommen, meine Erfahrungen Revue passieren zu lassen. Es hat sich bei mir eine unglaubliche Wertschätzung entwickelt für all das, was ich bisher in meinem Leben erleben durfte. Ich werde wahrscheinlich nie die Antwort finden, warum Gott es mir ermöglicht, in so einem Umfeld wie in Österreich aufzuwachsen.
Gerade daher habe ich es für wichtig empfunden, einen Beitrag zu leisten und mit jenen zusammenzuarbeiten, die mit ganz anderen Voraussetzungen als ich in das Leben starten. Ich bin über jede einzelne Sekunde in Uganda dankbar, habe mir von vielen Leuten etwas mirnehmen können und gleichzeitig versucht etwas zurückzugeben.
Ich habe dort sehr gute Freunde gefunden, mit denen ich nach wie vor in Kontakt bin. Und ein wenig "Heimweh" nach Uganda habe ich schon. Aber es gibt ja das Sprichwort: Im Leben sieht man einander immer zwei Mal!